Krieg liegt in der Luft. Zur sozialpsychologischen Funktion des Feindes

Sozialpsychologische Anmerkungen von Götz Eisenberg

Klassengespaltene und krisengeschüttelte Gesellschaften bedürfen eines äußeren Feindes, um sich zu einen und ein großes Wir über den inneren Zerreißungen entstehen zu lassen. „Wer keinen Feind mehr hat, begegnet ihm im Spiegel“, hat Heiner Müller lakonisch bemerkt. Und wer will das schon?

Nach dem Untergang des Ostblocks war die Position des Feindes vakant. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat diese Funktion „der islamistische Terror“ übernommen. … weiter


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  … und hier geht es zu den anderen Texten von Götz Eisenberg im Magazin Auswege

Das Attentat von Sarajevo oder: Von der Abdrift der Geschichte

In der Schule bekamen wir beigebracht: Am 28. Juni 1914 hat in Sarajevo ein fanatischer Serbe den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand feige ermordet. Die Folge war der Erste Weltkrieg. Um 1968 herum hieß es dann: Papperlapapp – der Imperialismus und seine Widersprüche führten zum Krieg. Die Attentäter von Sarajevo kamen in dieser Version der Geschichte gar nicht mehr oder nur als willenlose Marionetten vor.

Heute geht es unserem Autor Götz Eisenberg um die dialektische Vermittlung beider Erklärungen, in der sowohl die konkreten Gestalten der Attentäter und ihre Intentionen, als auch der Imperialismus – als übergreifender Rahmen und Bedingungsgefüge der Ereignisse – vorkommen:

 

quotes_oben  Götz Eisenberg

  Das Attentat von Sarajevo oder: Von der Abdrift der Geschichte

 Besuch am „Vidovdan“

„Was einen Terroristen ausmacht,
ist zunächst einmal eine bestimmte Art der Verzweiflung.
Oder genauer gesagt, das Streben,
über die Verzweiflung hinauszugehen,
indem er sein Leben einsetzt
und so der Verzweiflung einen Sinn gibt.“

John Berger

Es war ein schöner Sommertag, wie es sich für einen 28. Juni gehörte. Der Himmel war von einem makellosen Blau, und die Stadt badete geradezu im klaren Licht der Morgensonne. Ein herrliches Sonntagswetter für alle gebeten und ungebeten Gäste, die heute nach Sarajevo kommen würden“, dachte der Untersuchungsrichter Leo Pfeffer, als er an diesem Morgen in Begleitung einer seiner Töchter das Haus verließ. Sie schlugen den Weg zum Rathaus ein, um die Ankunft des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand mitzuerleben.

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„Das ist ja schlimmer wie’n Buch“

gsf – Götz Eisenberg, Gefängnispsychologe im hessischen Butzbach, beschrieb in seinem Aufsatz „Mit Sokrates im Gefängnis“ die Erfahrungen von Häftlingen in einer Kulturgruppe. Die Häftlinge spielten Theater, nahmen an Lesungen teil, hörten Musik, schauten sich Filme an und kamen miteinander ins Gespräch.

Jetzt, im Jahr 2014, blickt Götz Eisenberg zurück. Er zieht eine Bilanz. Was ist aus der Kulturgruppe geworden? Was von ihr geblieben? Die Mitglieder der Kulturgruppe sind nicht mehr in Butzbach, die „damalige“ Häftlingsgeneration ist veschwunden. Und der Autor stellt sich die Frage: Was heißt das für mich und meine kulturellen Bemühungen im Gefängnis?

„Das ist ja schlimmer wie’n Buch“

Epilog auf die Kulturgruppe – März 2014

In den letzten Monaten ist die Gefangenengeneration aus dem Butzbacher Gefängnis verschwunden, die die Kulturgruppe* ins Leben gerufen und mit ihrem Elan und Geist am Leben erhalten hat. Im Mai 2014 wird mit Srdjan M. nach über 13 Jahren Haft der letzte Repräsentant der Gründungsgeneration in seine serbische Heimat abgeschoben. Er hat sich während seiner Haftzeit durch eine ganze Bibliothek hindurchgearbeitet und ein Wissen und Urteilsvermögen erworben, das seinesgleichen sucht und das mir auch unter sogenannten Akademikern selten begegnet ist. Die nachwachsenden Gefangenengenerationen sind durch ihre Smartphones und Computerspiele, durch Facebook und Whatsapp derart idiotisiert, dass sie mit solchen Angeboten nichts anfangen können. … weiter

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Nachruf auf einen Räuber

von Götz Eisenberg

„Das, was die Jungen zum Verbrechen treibt,
ist ein schwärmerisches Gefühl,
das heißt: die Projektion des eigenen Ich
in ein äußerst wunderbares, kühnes
und schließlich auch extrem gefährliches Leben.“

Jean Genet

Mitte März hat jemand Thomas S. erschossen. Er hatte sich vor einem halben Jahr zwischen Gießen und Marburg ein Haus gekauft und war dabei, es zu renovieren. In der zum Haus gehörenden Garage stand seine Harley. Abends gegen 22:30 Uhr muss er Besuch bekommen haben, und dieser Besucher hat dann vier Mal auf ihn geschossen – drei Mal in den Bauch und ein Mal in den Kopf. Es war so etwas wie eine Hinrichtung. … weiterlesen

So beginnt Götz Eisenbergs Text über Thomas S.. Er kennt ihn aus aus dem Gefängnis, in dem dieser Häftling war und er als Gefängnispsychologe arbeitet. In seinem empathischen Nachruf entwirft der Autor nicht nur das Psychogramm eines „Räubers“, sondern zeigt uns, den LeserInnen, auch auf, was Thomas S. so hat werden lassen: seine Rollenbilder, sein Milieu und sein Leben in der bürgerlichen Lebensordnung, seine Hoffnungen und Wünsche. Weiterlesen

Die Vermessung der Innenwelt

von Götz Eisenberg

„Niemand ist berechtigt, sich mir gegenüber so zu benehmen, als kennte er mich.“
Robert Walser

„Jeder Mensch is ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“
Georg Büchner

Im Wartezimmer meines Zahnarztes blättere ich in der Zeitschrift stern (vom 13. Juni 2013) und stoße auf ein Interview mit der Hamburger Polizeipsychologin Claudia Brockmann. Sie hat gerade das Buch Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt herausgebracht. Seit dem Erfolg von Ferdinand von Schirachs Buch Verbrechen schreibt jeder, der beruflich mit Straftätern zu tun hat, ein Buch und versucht, von dem Verbrechens-Hype zu profitieren. Es ist ein eigenartiges Angst-Lust-Gemisch, das ihn befeuert, wie man neuerdings sagt. … weiter

Anm.: Der Text Die Vermessung der Innenwelt stammt aus Eisenbergs demnächst im Gießener Focus-Verlag erscheinenden neuen Buch Zwischen Amok und Alzheimer. Zur Sozialpsychologie des globalen Kapitalismus. Weiterlesen

Über die Psychologisierung und Medizinisierung sozialer Konflikte

von Götz Eisenberg

59061_by_pan_pixelio.deIn der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 13. Januar 2013 stieß ich auf einen Artikel, der unter der Überschrift „Der Notarzt“ von einem psychologischen Beratungsdienst für Unternehmen berichtet.

Die Mitarbeiter der Firmen, die mit diesem Beratungsdienst namens „Insite Interventions“ zusammenarbeiten, können dort anrufen, wenn ihnen die Arbeit über den Kopf wächst, das Privatleben aus den Fugen gerät, sie sich elend fühlen – erschöpft, ausgebrannt, arbeitsmüde. Wenn jemand mitten in der Nacht anruft, „muss man sofort einen Hoffnungsschimmer wecken“, erklärt Hansjörg Becker, der als Psychiater Ende der 90er Jahre die Arbeitswelt als Marktlücke entdeckte.

„Employee Assistance Programm“ heißt der Service, den Becker und seine Kollegen den Unternehmen anbieten. Beckers Team ist inzwischen auf zwölf feste und siebzig freie Mitarbeiter angewachsen. Zu seinen Kunden gehören Firmen wie Continental, Procter & Gamble oder Henkel. … weiterlesen

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Weitere Aufsätze von Götz Eisenberg lesen

©Foto Notruf: pan / www.pixelio.de

Zwischen Erfurt und Pisa: Eine Bilanz – zehn Jahre nach dem Massaker von Erfurt und dem sogenannten Pisa-Schock

Sind unsere Schulen verlässliche Orte oder Zulieferbetriebe für Markt und Industrie?

von Götz Eisenberg

Rund drei Monate nach dem Massaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium,  veröffentlichte die Frankfurter Rundschau einen Aufruf Erfurter Schüler und Studierender, in dem gefordert wurde, sich „verstärkt mit den gesellschaftlichen Ursachen dieser Tat auseinander zu setzen“, weil nur deren Kenntnis es ermögliche, ähnlichen Taten vorzubeugen. Insbesondere müsse der Leistungsbegriff hinterfragt werden, der das Bildungssystem beherrsche und dafür verantwortlich sei, dass unablässig Verlierer produziert würden, die den vorherrschenden Idealen nicht entsprächen und in der Folge leicht in eine Position abseitiger Verzweiflung gerieten.

Was ist aus den Forderungen der Schüler und Studierenden geworden? Was hat man gelernt oder besser: was hätte man aus der Katastrophe von Erfurt lernen können?  … weiter Weiterlesen

Sprachliche Leerverkäufe

Anmerkungen zum Film Work Hard – Play Hard von Carmen Losmann

von Götz Eisenberg

Sind Sie in letzter Zeit einmal in die Verlegenheit gekommen, Stellenanzeigen lesen zu müssen? Und wenn ja, haben Sie herausgefunden, wer oder was gesucht wird, wenn die Stelle eines Corporate Key Relationship Managers, eines Change Managers, eines Manager Component Purchasing and Subcontracting oder eines Supply Chain Managers ausgeschrieben ist?

Überhaupt scheint es nur noch Manager zu geben, selbst der gute alte Staubsaugervertreter oder das Mitglied einer Drückerkolonne nennen sich heute Area Sales Manager. … weiter

Szene aus dem Film WorkHard-Play Hard – ©Foto: workhardplayhard-film.de

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Aufsätze von Götz Eisenberg im Magazin Auswege

 

 

„Unterm Strich zähl‘ ich“ – Gesamtfassung

Der Narzissmus als sozialpsychologische Signatur des konsumistischen Zeitalters –
Teil 1 bis 7 und die Gesamtfassung

Götz Eisenberg hat mit seiner "Narzissmus-Saga" eine gewichtige Analyse des gegenwärtigen "erzieherischen, pädagogischen und sozialpsychologischen Elends" in Schule und Erziehung verfasst. In der Zwischenzeit haben ErzieherInnen und Lehrkräfte nicht nur im Kindergarten und in der Schule in immer stärkerem Maße mit der narzisstischen Persönlichkeit zu tun, sondern die Ersten dieser "Generation" bevölkern bereits als Referendare die Lehrerseminare und treffen in der Schule auf ihre Spiegelbilder.

Es liegen insgesamt 7 Teile vor (der letzte erschien am 11.12.2011 in AUSWEGE), einzeln zum Downloaden, illustriert und gut geeignet zum Lesen am Bildschirm.

Der gesamte Aufsatz kann nun auch als Druckfassung heruntergeladen werden – ohne Bilder und Fotos und in einer kleineren Schrift gesetzt.                                               
©Foto: "NOBBY " NORBERT HÖLLER  /www.pixelio.de

von Götz Eisenberg

In der Stadt sehe ich einen großen, milchkaffeebraunen jungen Mann:

Dreiviertellange Cargo-shorts, ärmelloses weißes Shirt, rasierte Glatze, Sonnenbrille, Muskelpakete, Tätowierungen. Er trägt einen Stöpsel im Ohr und telefoniert lautstark über ein unsichtbares Handy. Er berichtet einem Kumpel vom Verlauf der letzten Nacht und schildert die körperlichen Vorzüge der Frau, die er „abgeschleppt“ hat. Da geht er an einem Geschäft vorbei, in dessen Schaufenster sich ein großer Spiegel befindet. Er tritt näher heran und betrachtet sich eingehend. Er dreht und wendet sich vor den Augen der Passanten und nimmt Bodybuilder-Posen ein.

Download:

►erster Teil

zweiter Teil

dritter Teil

vierter Teil

fünfter Teil

sechster Teil

siebter Teil

Gesamtfassung ohne Bilder und Fotos
geeignet zum Ausdruck oder zum Lesen am Bildschirm

 

Alle in AUSWEGE erschienenen Aufsätze von Götz Eisenberg

 

Vor 100 Jahren kam der Dichter Georg Heym ums Leben

Am 30.10.1887 wurde Georg Heym in Schlesien geboren.  Er wurde nur 24 Jahre alt und starb am 16.1.2012 bei einem Rettungsversuch seines Freundes Ernst Balcke, der beim Eislaufen auf der Havel ins Eis eingebrochen war.

Georg Heym hinterließ – trotz seines  jungen Lebens – ein großes lyrisches Werk. Er galt als "einer der wichtigsten Lyriker des frühen literarischen Expressionismus" (Wikipedia).

Auswege-Autor Götz Eisenberg lässt uns teilhaben an Georg Heyms Werk und dessen Gedanken über den Wahnsinn des 1. Weltkrieges und über die Verzweiflung angesichts der Zustände der damaligen Zeit.

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