Das TTIP-Hintertürchen

dgb.jpgKritiker nennen es den „böseren Bruder“ von TTIP. Seit drei Jahren verhandeln die EU, die USA und weitere 21 Staaten im Geheimen über das Abkommen TiSA (Trade in Services Agreement – Handel mit Dienstleistungen). Die Auswirkungen auf den Dienstleistungsbereich könnten verheerend sein. Der DGB fordert, die Verhandlungen auszusetzen.

Dienstleistungen. Die Dimensionen sind gewaltig – der Handel mit Dienstleistungen, der mit TiSA geregelt werden soll, macht rund 70 Prozent des Welthandels aus. „TiSA krankt an den gleichen Problemen wie TTIP“, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell das Abkommen, das Branchen wie Verkehr, Finanzen, Bildung oder Gesundheit betrifft. Die bislang bekannten Inhalte basieren auf wenigen veröffentlichten Passagen. Doch schon sie zeigen, so Körzell, dass hier „ein Scheunentor für mehr und einseitige Liberalisierung zugunsten von Wirtschaftsinteressen geöffnet wird“. Wenn der Protest bei TTIP und CETA zu tatsächlichen Verbesserungen führe, könnten viele Regeln mit TiSA durch die Hintertür wieder umgangen werden, befürchten die Gewerkschaften.

Gewerkschaften erwarten mehr Transparenz
Der DGB hat seine Kritik in einer detaillierten Stellungnahme begründet. Vor allem erwarten die Gewerkschaften mehr Transparenz. Alle Dokumente müssten den nationalen Parlamenten, dem EU-Parlament und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Öffentliche Dienstleistungen dürften „keinesfalls einem Privatisierungs- und Deregulierungsdruck ausgesetzt werden“. Eine Öffnung für ausländische Anbieter „auf Kosten hoher Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherstandards“ müsse verhindert werden, und die Finanzmärkte dürften nicht weiter dereguliert werden. Zudem darf die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitskräften nicht von einem Handelsabkommen geregelt werden, fordert der DGB. Wenn in dem Abkommen überhaupt Regelungen aufgenommen werden, die entsandte ArbeitnehmerInnen betreffen, erwarten die Gewerkschaften, dass für alle, unabhängig von ihrem Herkunftsland am gleichen Arbeitsplatz gleiche Rechte und gleiche Löhne gelten.

Einladung für Wirtschaftslobby
Das Abkommen soll auch die öffentliche Beschaffung regeln. Bislang ist nicht klar, ob die noch relativ neuen EU-Vergaberichtlinien, die soziale Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe aufwerten, nach TiSA noch gelten. Es geht um Tariftreue, um die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen sowie um soziale und ökologische Standards. Angesichts der TiSA-Vertragspartner sind die Gewerkschaften misstrauisch. In den Ländern, die mit am Verhandlungstisch sitzen, sind Arbeitnehmerrechte sehr unterschiedlich geregelt. Über das Abkommen könnte ein erhöhter Druck entstehen, mit dem Argument vom „konkurrenzfähigen Wettbewerb“ hohe Löhne und gute Arbeitsbedingungen abzubauen. Besonders kritisch sehen die Gewerkschaften das sogenannte „Transparenzkapitel“. Hier geht es nicht darum, die Öffentlichkeit zu informieren. Vielmehr sichert es „interessierten Akteuren“ Zugriff auf geplante Gesetze und Regulierungen. Sie können überprüfen, inwieweit sie betroffen wären. Für den DGB ist das eine Einladung an die Wirtschaftslobbyisten, frühzeitig auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen, „noch bevor demokratisch gewählte Parlamente sich damit beschäftigen können“. Der EGB schloss sich auf seinem Kongress der DGB-Kritik an.

Uruguay und Paraguay sind ausgestiegen
Die fehlende Transparenz war für das uruguayische Parlament Grund, in diesem Jahr aus dem Vertrag auszusteigen. Auch Paraguay ist nicht mehr dabei. Die EU-Kommission begründet ihr Interesse an TiSA damit, dass ein „liberalisierter Handel“ für eine Million Arbeitsplätze in der EU wichtig sei.

Quelle: einblick.dgb.de – gewerkschaftlicher Info-Service v. 19.10.2015