Sozialhilfe: Fahrtkostenerstattung sichert Bildung

Der Träger der Sozialhilfe kann verpflichtet sein, die Fahrtkosten fur den Besuch einer Fachoberschule zu ubernehmen.

Der Fall: Die 17jährige Schulerin bezieht Leistungen der Grundsicherung. Sie beantragte beim zuständigen Landkreis die Übernahme der Kosten fur eine Busfahrkarte zur Fachoberschule etwa 13 km vom Wohnort entfernt und zum schulbezogenen Praktikum etwa 24 km entfernt. Die Kosten fur die Schulerjahresfahrkarte des Regionalen Nahverkehrsverbandes belaufen sich auf 736 Euro. Nach der Ablehnung durch den Landkreis beantragte die Schulerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit ihrem Antrag hatte sie Erfolg.

Das Sozialgericht: Der Staat hat auch solche existenzsichernden Leistungen zu erbringen, die sich auf die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben beziehen. Freilich ist der Teilhabeanspruch auf die Mittel beschränkt, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwurdigen Daseins erforderlich sind und die man vernunftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Dabei ist Bildung unabdingbar fur die individuelle Entwicklung, das Zusammenleben in und der Fortentwicklung des Gemeinwesens.
Wenngleich sich der Teilhabeanspruch dabei vornehmlich auf den gleichberechtigten Zugang zur Bildungseinrichtung richtet, ist dieses Teilnahmerecht ohne die Gewährleistung der notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen wertlos und verkommt zur leeren Hulse.
Die Schulerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, die Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zuruckzulegen. Wegstrecken dieser Größenordnung sind nicht dauerhaft zu Fuß oder per Rad zu bewältigen.

Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 5. August 2010 – S 5 AS 309/10 ER

aus: einblick – gewerkschaftlicher Info-Service (DGB) 16/2010