Alles bewältigt? Eine „Erinnerungskultur“, die Deutschland dient

von Johannes Schillo

„Diktaturen im Blick“ schreibt die vom Deutschen Bundestag herausgegebene Wochenzeitung Das Parlament (Nr. 47-48, 2019) über das 2019 neu aufgelegte Bundesprogramm „Jugend erinnert“, das die „Wissensvermittlung über die NS-Terrorherrschaft und die SED-Diktatur in der jungen Generation“ stärken soll.

Es wird also, für jeden erkennbar, regierungsoffiziell eine Gleichsetzung der beiden „Diktaturen“ vorgenommen – damit in der Konsequenz auch eine Verharmlosung der nationalsozialistischen Ausrottungs- und Expansionspolitik –, die die Programmverantwortlichen, wenn sie darauf angesprochen werden, meist von sich weisen. Zu den Errungenschaften der deutschen „Erinnerungskultur“ hier einige Hinweise anlässlich aktueller Stellungnahmen. … weiter

Ein Kommentar

  • Claudia Reuther

    Am 27. November gab es im Auswege-Magazin einen Text zur deutschen „Erinnerungskultur“ (https://www.magazin-auswege.de/2019/11/eine-erinnerungskultur-die-deutschland-dient/), der deren Leistungen für ein neues deutsches Nationalbewusstsein herausstellte – Leistungen, die die Männer (und natürlich, oh Gott, hätte ich fast vergessen, Frauen) von der AfD einfach nicht kapieren (wollen). Eine Woche später war Merkel in Auschwitz und betonte dort nochmals, dass „Auschwitz Teil unserer nationalen Identität“ ist (FAZ, 7.12.19). Dabei fielen wieder die einschlägigen Stichworte: Als deutsche Kanzlerin empfindet die Frau „tiefe Scham“, NS war ein einziges „Verbrechen“, „eigentlich müsste man verstummen“, Auschwitz natürlich das „größte Menschheitsverbrechen“, ein „Zivilisationsbruch“, der sich – ganz wichtig für die deutsche Vergangenheitsbewältigung – „mit Menschenverstand nicht erfassen“ lässt…

    Wer über diese Verrenkungen erstaunt, findet Aufklärung in dem genannten Auswege-Artikel. Auf der Website „Herrschaftszeiten“ von „Herr Keiner“ gibt es jetzt zu Merkels Auschwitz-Buch einen neuen Text: Warum deutsche Politiker von den politischen Gründen des Antisemitismus nichts wissen wollen. Er betont einen wichtigen Punkt: Mit dieser Erinnerungskultur betreut Deutschland vor allem das Nationalgefühl zuhause bzw. im eigenen Volk, gegenüber dem Ausland tritt die Nation – auch wenn sie im Umgang mit Ihresgleichen dieselben Rituale pflegt – unter Einsatz ihrer politischen und wirtschaftlichen Macht an. Mit der Büßerrolle hat Deutschland jedenfalls nicht seinen Aufstieg in der Staatenkonkurrenz geschafft!

    Claudia Reuther