„Liebes-Leid“ – Ein Gedicht von Anja Arneth

Liebes-Leid

Wahre Kunst wird aus Leid geboren,
wenn man jeglicher Verpflichtung abgeschworen und
sich dann den Freifahrschein erteilt,
der einen von jeglichen Zwängen befreit.

Versinkst du in tiefen seelischen Qualen
scheint alles Weltliche zu banal
um deine Beachtung zu verdienen.
Du gehst auf in deinem Schmerz,
deine Bestimmung scheint mit den Tränen zu zerfließen
und die Welt dreht sich um dein geschundenes Herz.

Du verlierst die Kontrolle an deine Not
und du wünschst dir nichts sehnlicher als den Tod
all deiner Empfindungen, die dich an den Menschen binden,
bei dem du glaubtest deine Erfüllung zu finden.

Du dachtest du seist angekommen
nach all dem Wandern auf verschlungenen Pfaden,
bereit deine Liebe zu verschenken und
den Liebsten zum Bleiben einzuladen.

Nicht im Traum konntest du ahnen,
dass es auch anders kommen kann.

Plötzlich reichst du mir doch deine Hand
und bittest mich aufzustehen,
ansonsten könnte ich ja nicht mehr hinter dir stehen
und dich aufrichtig lieben.
Du willst deinen Weg doch nicht ohne mich gehen,
aber ohne das liebe Leid
hätte ich dieses Gedicht nie geschrieben.

Anja Arneth

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Bildquelle: ©Foto: Rike / www.pixelio.de

„Weiterleben“ – Ein Gedicht von Anja Arneth

Weiterleben

Jetzt liegst du vor mir,
du ringst nach Luft.

Hast du dich je gefragt,
warum du so sehr leiden musst?

Deine mageren Finger zittern,
jede kleinste Bewegung kostet Kraft.

Hast du dich je gefragt,
ob du Böses getan hast?

Deine trüben Augen suchen nach mir,
vielleicht auch nach deinem zweiten Kind.
Hättest du ihn lieber hier?
Deine trüben Augen suchen weiter,
doch meinen Blick zu finden
scheint übermäßig schwer.

In feinen Perlen tritt
warmer Schweiß auf deine Stirn.
So funkelnd – und doch,
ebenso zerbrechlich
wie in diesem Moment
alles an dir.

Das Streicheln meiner Finger
hinterlässt Gänsehaut
auf deinem dünnen Unterarm.
Ein schmerzliches Stöhnen
verlässt deine Mundhöhle.
Dein Atem ist nicht mehr warm.
Deine halboffenen Augen
schließen sich vollständig.
Vielleicht ein letztes Mal.

Und mit dem salzigen Geschmack meiner Tränen
wird mir bewusst,
dass du tatsächlich sterben musst.

Ich gehe.

Anja Arneth

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