Malve isst nichts Rotes!
von Gabriele Frydrych
Frühstückszeit in der Kita „Muntere Mäuse“: Die drei- bis sechsjährigen öffnen ihre Brotbox. Vor einigen Wochen hat die Kita-Leiterin an einem Elternabend erklärt, was sie sich unter einem „gesunden Frühstück“ vorstellt. Sie ließ auch entsprechende Merkzettel mit buntem Bildern, Kalorientabellen und Lebensmittelpyramiden verteilen. In drei Sprachen.
Die Kita-Leiterin ist beim Blick in die erste Brotbox hoch erfreut: Rouven hat tatsächlich Vollkornbrot mit Frischkäse dabei, garniert von „Naschtomaten“, Möhrchen und Radieschen. Leider interessiert sich Rouven mehr für Linus-Leanders Frühstück und kaut dessen klebrige Karamellbonbons. Shalina packt kalte Fischstäbchen mit Bratkartoffeln aus. Connor frühstückt Schokoladenkuchen und Damian Nudeln mit Zucker und Dosenmais. In der Ecke sitzt eine Mutter und beobachtet alles angespannt. … weiter

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von Gabriele Frydrych
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Im Kindergarten: Tim und Yannick sind in ihr Spiel vertieft. Sie haben einen Zoo gebaut und müssen noch winzige Elefanten, Zebras und Eisbären in winzigen Gehegen unterbringen. Tims Mutter wird ungeduldig. „Komm jetzt, Tim, wir müssen noch schnell einkaufen!“ Tim schiebt zwei Affen über den Fußboden: „Ich will aber erst noch mit Yannick fertig spielen!“


Die Schulleiterin hat Tränen in den Augen, als sie dich verabschiedet. Vor Freude? Sie lobt und preist dich, weil du einer der wenigen bist, die bis zum offiziellen Rentenalter durchgehalten haben.
Rums, die Tür kracht zu. Zum siebten Mal. Sechs Erwachsene zucken zusammen. Vier andere schauen gequält, darunter die Gastgeber. Vier Erwachsene lächeln amüsiert, darunter die Kindseltern. Die Großfamilie hat sich zu einer Geburtstagsfeier getroffen. Paul ist das einzige kleine Kind in der Runde. Er ist zwei Jahre alt und laut seiner stolzen Eltern hochintelligent, temperamentvoll und kreativ.
Nikolaustag: Unser dicker Pensionär hat einen roten Bademantel übergeworfen und verteilt aus einem Jutebeutel Schokolade an die Schülerschaft. Dabei stößt er heisere „Ho-ho-ho-Rufe“ aus. Den obligatorischen Rauschebart hat er seit seiner Referendarzeit. Wie eine Furie stürzt sich unsere politisch korrekte Kollegin auf ihn: „Wie kannst du nur! Es ist Fastenzeit für die muslimischen Kinder. Und du verschenkst Schokolade! Das ist unglaublich!“ Nicht mal der Hinweis, dass der historische Nikolaus Wurzeln in der Türkei hat, besänftigt sie. Sie hat auch was dagegen, dass in der Eingangshalle ein Weihnachtsbaum aufgestellt wird. „Religiöse Diktatur! Viele Kinder feiern gar kein Weihnachten!“
„Gabriele Frydrych hat wieder zugeschlagen. Die Autorin führt uns mit Geist, Witz und Sarkasmus ein reizendes Panoptikum penetranter Pauker, garstiger Gören und enervierender Eltern vor. Fern der üblichen Schulklischees und sprachlich brillant.“
Türenschlagen, Hupen, lautes Geschrei, stampfende Musik direkt unterm Fenster. Ich falle erschrocken aus dem Bett. Dabei hat nur die Schule wieder angefangen. Gegenüber befinden sich eine Grundschule, ein Kindergarten und ein Hort. So gut wie keins der armen Kinder kann laufen. Sie werden deshalb im „Elterntaxi“ transportiert. Mittlerweile ein fester Begriff bei Wikipedia. Genauso wie der Begriff „Generation Rücksitz“. Die Elterntaxis verstopfen morgens und nachmittags unsere kleine Straße. Sie versperren ungeniert die Ausfahrten und pflügen die Gehwege auf. Keiner kann vor oder zurück. Statt den Verstand oder den Rückwärtsgang zu benutzen, wird gehupt, bis auch der letzte Anwohner wach ist. Und bis endlich jemand nachgibt und aus dem Weg fährt. „Total loser“…